Nova Scotia 2024
Nova Scotia, weit östlich gelegene Gründungsprovinz Kanadas. Hier wollen wir unseren ersten Familienurlaub seit vielen Jahren verbringen. Es sind aber nicht die bekannten Hauptattraktionen der Halbinsel, die uns interessieren, sondern wir hoffen eine schöne Mischung zwischen Meeresküste und herbstlicher Blattfärbung zu entdecken. Eigentlich wollen wir uns ein wenig vor Trubel und Stress verstecken.
Am Flughafen in Halifax treffen wir fünf aus allen Himmelsrichtungen zusammen und übernehmen unseren großen Van mit dem es gleich Richtung Norden geht. Kurzentschlossen fahren wir trotzdem an einen der bekannten Spots da wir hier aufgrund der großen Distanzen vielleicht nicht wieder vorbeikommen. Somit ein ungeplanter Zwischenstopp bei Peggys Cove mit dem wohl berühmtesten Leuchtturm Kanadas. Dieser thront auf völlig abgeschmirgelten Granitfelsen ehemaliger Vulkantätigkeit vor 385 Millionen Jahren. Obwohl wir nicht alleine hier sind, ist die Umgebung wirklich beeindruckend und eine kühle atlantische Brise grüßt uns. Man spürt den offenen Ozean und riecht den typischen salzigen Geruch. Weiter geht`s nach Norden zur Bay of Fundy wo wir in unserem kleinen Haus an der Nordküste im Annapolis County, fern der touristischen Strukturen ankommen.
Nova Scotia (NS) ist die zweitkleinste der 10 kanadischen Provinzen und sehr weit östlich gelegen. Nur noch Neufundland liegt weiter östlich und bildet den Rand von Kanada.
Die Bay of Fundy wird hauptsächlich durch NS und New Brunswick gebildet. Sie gilt als eines der großen nordamerikanischen Naturwunder und verblüfft durch extreme Tidenunterschiede bis 16m, welche es sonst auf der ganzen Welt nicht gibt. Durch die starke Gezeitendifferenz wird das Meer stark mit Sauerstoff angereichert womit es außerordentlich fruchtbare Grundlage für alle Meerestiere wird.
Unser Haus hat noch sehr viel Grund dabei, so wie es in Kanada üblich ist. Alleine auf unserem Grund und Garten sehe ich zahlreiche Raubvögel und andere Wildtiere (Adler, Merlin, Fasane, Eulen und vieles mehr). Zahlreich, fast wie bei uns die Tauben zeigen sich dennoch recht scheue Bluejays (Blauhäher), Wappentiere des östlichen Kanadas.
Unsere herzallerliebsten Nachbarn gegenüber der Straße, Brenda & John versorgen uns mit wichtiger Info zur Gegend und auch mit Feuerholz, als unseres sich zum Ende neigt.
Sie sind der Prototyp der freundlichen und lokalen Kanadier. Fast jeder hier war irgendwann einmal in der Nähe einer der großen Metropolen wohnhaft, in der Pension zieht es viele wieder zurück nach NS oft an die Küste.
Wir haben es nicht eilig und erkunden erst die nähere Umgebung. Es gibt wunderbare Küstenstraßen mit einigen (von angeblich 180) Leuchttürmen. Im nahen Hinterland gibt es viel Landwirtschaft, vor allem Apfel und Gemüseanbau findet man hier. Ab Hof lässt sich alles organisieren was wir zum Kochen brauchen.
Auf der to-do List unserer (erwachsenen) Kinder können wir unter anderem Applepicking, Kürbisfest, Farmers Market, Kürbisschnitzen und Maislabyrinth abhaken.
Das Maislabyrinth ist zusätzlich lehrreich, da es von indigenen Künstlern geschaffen wurde. Wir erfahren über die Kultur der Ureinwohner, die Mi`kmaq, welche etwa 10000 Jahre währte, ehe sich Anfang des 16ten Jhdt. die Europäer hier niederließen und wegen Land, Pelzen und Holz alles in Beschlag nahmen, die First Nations mehr oder weniger auslöschten.
Dort wo 1604 die Franzosen landeten und die erste befestigte Siedlung Kanadas bauten, liegt heute das kleine Städtchen Annapolis Royal, von den Briten später umbenannt. Wir sehen uns hier die beeindruckende nationale Gedenkstätte der Wiege Kanadas an.
Mein Lieblingsausflug führt in den Cape Blomidon Provincial Park. Sensationelle Sandsteinklippen fallen 180 m tief zum Strand des Minas Basin ab, dort wo wir zweimal vorbeikommen. Zuerst völlig bei Ebbe über den Meeresboden spazierend, und 2 Stunden später als die Flut sich fast den gesamten Strand zurückholt. Wenn man es nicht selber erlebt glaubt man es nicht.
Oben über den Klippen am Blomidon wandern wir über den schönsten Campingplatz den ich je gesehen habe. Die Landschaft erinnert an alpine Almen, gesäumt von buntestem Herbstwald.
Später, wieder an der Bay of Fundy-Seite kommen wir noch an die Scots Bay wo wir auf dem riesigen Kiesstrand bunte Steine sammeln. Nur durch Zufall entdecken wir putzige kleine Vögel am Kies, die sehr gut getarnt sind. Es handelt sich um die seltenen und streng geschützten Piping plovers.
Die langgezogenen und unheimlich wellig verlaufenden Landstraßen werden vom typischen Mischwald gesäumt, der sich während unserer 17 Tage Aufenthalt immer mehr ins absurd leuchtend Bunte verfärbt. In den letzten Reisetagen werden wir ständig vom bunten Laub der zuckerreichen Ahornbäume verzaubert.
Abends sinnieren wir, am Campfire sitzend, über die schönen Erlebnisse unserer Ausflüge und Spaziergänge. Da wir Wetterglück haben, sehen wir wegen geringer Lichtverschmutzung auch den Sternenhimmel in seltener Klarheit.
Als wir am letzten Abend erstmals wirklich Schlechtwetter haben zeigt sich in einer Regenpause trotz starker Bewölkung plötzlich pinkes Nordlicht am Horizont, wir sind begeistert.
Unsere Nachbarin Brenda zeigt uns eines Tages einen Schmetterlingskokkon auf einer ihrer Seidenpflanzen. Schon am nächsten Tag entwickelt sich ein wunderbarer Monarchfalter. Diese Wanderfalter brechen im Oktober aus ganz Nordamerika gegen Süden auf, in unserem Fall um etwa 3000 km südwestlich in der Sierra Nevada Mexikos zu überwintern. Ein echtes Highlight unserer Reise, so eine Entwicklung zu sehen.
Als wir aus Halifax wieder nach Hause fliegen, haben alle ihre eigenen Traummomente gehabt.
Ob gemeinsames Applepicking, unglaublich schöne Sonnenuntergänge an der Bay of Fundy, fantastische Blattfärbung, sich im Maislabyrinth verlaufen, Grillen am Campfire oder unerwartetes Nordlicht, es war für jeden etwas dabei.
Die pastelligen Farbnuancen des auffallend hellblauen Meeres der Bay of Fundy habe ich jedenfalls fest im Gedächtnis eingeprägt.
Nova Scotia, wir kommen wieder.