Finnland 2024- Wildtiere im Schnee

Wildtiere im Schnee

Meine erste Finnlandreise, und dann gleich so schöne Erlebnisse.

Im tief verschneiten Ost-Finnland kommt unsere kleine Fotogruppe Ende April an. Unser Guide ist wieder einmal Fotoprofi Philipp Jakesch, und wie immer hat er alles umsichtig unter Kontrolle. Nach ruhiger Anreise und Ankunft in Kajaani, mit dem gefühlt kleinsten Gepäckförderband der Welt, fahren wir nahe an die russische Grenze.

Erster Ausflug um 3 Uhr 15 morgens gleich mit dem Motorschlitten und angehängten Waggons wie in der Geisterbahn. Wir fahren durch typische Birkenwälder und über einen gefrorenen See zum Hide bei den Birkhähnen. Die Fotoverstecke sind relativ klein, gerade ausreichend zum Sitzen, mit Kerzenheizung. Zu dieser Jahreszeit ist die Birkhahnbalz gerade auf dem Höhepunkt und wir werden nicht enttäuscht. Noch in der Dämmerung nähern sich die streitbaren Hähne und sitzen in den Birken. Nun ist alles angerichtet für die spektakuläre Balz. Die offensichtlich stark hormonell geladenen Hähne kreisen mit dem Oberkörper horizontal zum Boden und gurgeln Laute aus dem Hals. Es wird permanent gesprungen, gekreist und gekämpft. Größtes Ziel ist, den Kontrahenten in die knallroten „Rosen“ über den Augen zu schnappen.

Nachmittags geht’s ins „Predatorhide“ zu den Bären. Wir sitzen im recht luxuriösen Holzverschlag und bereiten uns vor. Plötzlich ruft einer leise „Vielfraß“ und ein merkwürdig felliges Tier mit buschigem Schweif nähert sich behände über den nassen Schnee. Hab noch nie so einen Vielfraß gesehen. In Finnland leben derzeit etwa 150 Tiere. Sie gehören zu den Mardern, sind aber viel größer und eigentlich eine isolierte Gattung. Unser gesichtetes Männchen ist recht groß, und bricht wegen seinen speziell breiten Pfoten trotzdem kaum im feuchten Schnee ein. Dieses Tier kann nicht nur ausdauernd laufen (Marathondistanzen in einer Nacht…) und schwimmen, sondern auch gut klettern- gewissermaßen Alleskönner und Allesfresser. Gerade als wir beginnen schöne Bilder von ihm zu machen, verschwindet er, um gerade als ein riesiger Bär auftaucht, wiederzukehren. Einzigartig was wir hier erleben dürfen. Diese Art Fotostress habe ich nicht erwartet, einmal zum Bären dann wieder zum Vielfraß und zurück. Ein wunderbarer Tag in der Wildnis . Wir übernachten im Hide bei Gasheizung, und als ich um 5 Uhr morgens die Augen öffne, liegt draußen feiner Neuschnee.

Am nächsten Tag zeigt sich wieder unser großer Bär, gezeichnet vom Leben, mit Narben übersäht. Kurz vor Dämmerung setzt Schneefall ein, wir haben es uns gewünscht. Später gesellen sich dann noch zwei scheuere Bären dazu. Die meisten „unserer“ gesichteten Bären überwintern wegen der geringen Siedlungsdichte in Russland, die Grenze ist ja nur einen Steinwurf entfernt. Zum Frühjahrsauftakt kommen sie dann nach Finnland rüber zum Fressen und „Modellstehen“. Auch zahllose Kolkraben finden die Szenerie spannend und verscheuchen die wenigen anwesenden Adler.

Morgens geht’s noch einmal ganz früh zu den Birkhähnen, da die geplante Auerhahn-Tour ausfällt, weil die Auerhähne sich eben nicht an einen wiederkehrenden Balzplatz halten, somit deutlich schwieriger aufzuspüren sind. Balzende Birkhähne erinnern mich an eine Mischung aus „Super-Bantam Boxer“ und Flamenco-Tänzern die sich allerdings ständig nur betänzeln. Irgendwann reicht`s einem der Streithähne doch und er will den Anderen zerlegen. Erst nach Durchsicht der Fotos erkennt man wie grob das ganze wirklich abläuft.

Bei wunderbarem Sonnenaufgang haben wir ein faszinierendes Balz-Spektakel und es gelingen auch tolle Bilder vom Nahkampf.

Wir verlassen noch in der Früh unsere Unterkunft und brechen mit unserem rasenden Buschauffeur Anssi (hat schon >4 Millionen km auf der Straße hinter sich) zu unserer neuen nördlich gelegenen Unterkunft auf.

Nachmittags geht’s ins kleine Hide (mit romantischer Kerzenheizung) und wir übernachten bei Starkregen. Ein sehr relaxter Bär frisst sich satt und legt sich dann 20 Meter vor meiner Nase während starkem Regen in den Schnee um stundenlang zu schlafen. Ein Highlight für mich. Als ich in der Früh etwas erkältet aufwache, zieht draußen mystischer Nebel durch. Jetzt passen mir auch die Raben gut ins Bild.

Gleich nach dem Frühstück fahren wir zu Jarno dem „Eulenflüsterer“. Jarno ist, wie alle Finnen die wir getroffen haben, ein überaus freundlicher und offener  Typ. Er registriert, beobachtet und pflegt seine zahlreichen großen und kleinen Eulen schon seit einigen Jahren auf seinen Ländereien.

Die Bedingungen hier sind eigentlich optimal für die großen Bartkauze, allerdings hängt deren Leben auch von der extremen Witterung ab. Im vergangenen Winter gab es wochenlang so tiefe Temperaturen (-35°), dass die zugefrorene Schneedecke zum Durchdringen der schmalen Eulenfüße mit samt den Krallen nicht mehr geeignet war. Somit waren die vielen Mäuse unter dem Schnee gut vor den Eulen geschützt. Jarno und seine hilfsbereiten Nachbarn versuchen seither ihre Eulen am Leben zu halten, und zwar mit Mausfütterung. Erst vor einer Woche hat eine Nachbarin einen großen Bartkauz gefüttert, dieser ist aber mit ihrem Lederhandschuh abgezogen. Nach verzweifeltem Handyanruf bei Jarno hat dieser nur gemeint, sie solle gleich drei Mäuse in den Schnee legen, dann bringt der Kauz sicher auch den Handschuh zurück. Und wirklich, der Kauz hat den Handschuh eingetauscht. Das ist sogar für Jarno eine außergewöhnliche Geschichte.

Wir hatten  etwas Pech bei der Eulensuche. Einen ganzen Tag mit dem Auto und zu Fuß auf finnischen Landstraßen und Wegen unterwegs, und lediglich zwei weit entfernte Bartkäuze gesehen. Schon etwas enttäuscht bringt uns Jarno abends bei Dämmerung zurück zu seinem Bauernhof. Gleich daneben sitzt seit Stunden ein großer Bartkauz in den Bäumen (den wir schon vormittags erspäht haben) und dieser beobachtet uns. Wir legen uns hin, Jarno geht mit Schneeschuhen ins weite Feld und legt eine Maus auf den schneebedeckten Boden. Währenddessen spricht er laut auf Finnisch mit dem scheuen Tier und ruft immer wieder „Jockooo“. So vertraut wie hier alles abläuft zwischen Eulenflüsterer und Eule, das ist magisch. Und tatsächlich hebt der Bartkauz plötzlich ab, um sich die angebotene Maus zu holen. Mit Flügelspanne von bis zu 150 cm ist der Bartkauz wirklich eine imposante Erscheinung. Aber diese Leichtigkeit und Stille im Flug sucht seinesgleichen. Als wir spät abends mit schönen Fotos zurückkommen, bin ich müde und etwas durchgefroren, aber einfach nur glücklich.

Am nächsten Morgen holt uns Anssi ab und es geht nach Oulu zum Airport. Unsere fotografische Reise beendet. Die abgeschiedene Natur und Wildnis Finnlands mit ihrer wunderbaren tierischen Vielfalt hinterlassen nachhaltig traumhafte Erinnerungen.

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