Dovrefjell 2023 – Moschusochsen im Winter am Limit

Meine extremste Reise bisher.

Weiter werde ich wahrscheinlich nicht mehr aus meiner Komfortzone kommen als an diesen vier Jänner-Tagen im Dovrefjell-Nationalpark. Der Grund dafür sind die unglaublichen harten Bedingungen hier im Jänner mit Wind und Kälte.

Nach monatelanger Vorbereitung und Ausstattung mit wärmster Funktionswäsche sowie professionellem Fotowerkzeug begebe ich mich nach Oslo, wo unser internationales Fotografen-Team mit den beiden Guides Robert Haasmann und Floris Smeets zusammentrifft. Die nun acht Mann starke Gruppe bricht, nach eingehender Besprechung und letztem „normalen“ Essen am Vorabend, mit Hundeschlitten ins Fjell auf.

Es hat -13 Grad und ich hab Angst mich zu verkühlen – daher viele Schichten und die ganz dicke Wollmütze an. Nach der ersten etwas steileren Kurve lieg ich mit meinem schwer beladenen Schlitten erstmals voll im Tiefschnee und die erstaunten Hunde winseln mich ungläubig an. Da wir trotz Einschulung das Schlittenfahren nicht gerade super beherrschen brauchen wir wegen des vielen Neuschnee vom Vortag sehr lange um über die steilere Hälfte des Weges zu kommen. Ich bin nach kurzer Zeit und mehreren Stürzen mit anschließendem Tiefschneebuddeln völlig durchnässt und einmal ziehen mich die starken Hunde sogar in Superman-Haltung hinter dem seitlich gekippten Schlitten nach, bis mein abgeworfener Notanker endlich greift.

Unsere Musherchefin eilt zur Hilfe und als ich stammle „i can´t go on“ sagt sie einfach „oh, you are strong enough“ und das gibt mir die letzten Superkräfte um fast ausgepumpt ins flache Plateau zu kommen und meinen Hunden wieder ein wenig Vertrauen in meine Fahrkünste zu geben. Oben angekommen verlassen uns Musher und Hunde und wir bauen zügig ein geschütztes Zeltlager in den Schnee.

Ab jetzt sind wir der Kälte richtig ausgesetzt, denn Ofen gibt’s hier keinen, und gleich in der ersten Nacht hat es etwa -20 Grad. Meine vom Fahren verschwitzte Wollmütze wird in Sekunden zum Eisklumpen und steht die restliche Woche wie ein Mahnmal vor dem Zelt. Mein Zeltkumpane, ein sehr sportlicher britischer Pensionist, friert und wir kleben uns am nächsten Abend gleich präventiv Heatpacks auf den Rücken. Alles, wirklich alles friert sofort ein. Meine gesamte Reisetasche, meine Nasentropfen und meine Ohrenstöpsel gegen kollegiale Schnarchgeräusche haben Minustemperatur. Daher essen wir auch nur trockene Expeditionsnahrung welche mit aufgeheiztem Schnee-Wasser aufgemischt wird. Zum Glück hab ich ausreichend Walnüsse dabei, denn die kann man auch kalt sofort essen. Alles was ich dringend warm brauche (unter anderem auch Nasentropfen und Müsliriegel) nehme ich in der Nacht in meinen Expeditions-Mumienschlafsack mit hinein.

Hier oben im frostigen Nirvana zählt nur Teamwork, denn jede Fahrlässigkeit oder Überschätzung kann den Aufenthalt der gesamten Gruppe gefährden. Um zu den Moschusochsen zu kommen ziehen wir unsere Schneeschuhe an und erklimmen mit schwerer Ausrüstung die umgebenden Berge. Zum ersten Mal seit Jahren kommt im Dovrefjell kein Schlechtwetter auf und wir haben tagelang Wolkenlos, allerdings ist es durch den offenen Himmel auch deutlich kälter als erwartet. Unsere von den Guides perfekt geplanten Touren sind eine echte Inspiration, die Landschaft ist fast utopisch schön, Sonnenaufgang und Untergang hab ich in dieser Intensivität überhaupt noch nie erlebt. Moschusochsen sehen wir auch täglich, immer in geänderter Formation und Umgebung.

Als ich mich beim Fotografieren mit angelegten Schneeschuhen kniend nach vorne beuge fahr ich mit den Armen durch den Tiefschnee und versinke plötzlich mit dem Oberkörper und Kopf nach vorne. Meine Kumpel ziehen mich gleich raus, dennoch denk ich mir wie schnell man hier verloren gehen könnte.

Schließlich gelingt uns eine relativ anstrengende und zügige Umrundung dreier Bullen zum Sonnenaufgang um sie im richtigen Licht (und mit ausreichend Sicherheitsabstand) zu haben. Die Farben explodieren förmlich rund um die stolzen Tiere.

Als wir nach knapp vier Tagen wieder mit den Hundeschlitten durch eine Wintertraumlandschaft ins Tal gleiten stürze ich kein einziges Mal, hab auch nur die Hälfte an Kleidung an. Unten warten wir zusammen und laden alles ab, einige umarmen sich, andere spielen fast kindisch mit den Schlittenhunden. So sieht es also aus wenn man den Kopf völlig frei bekommen hat weil da draußen nur Wärme und Teamwork zählen. Als wir völlig glückselig herumspringen meint unsere Musherlady wir sollten uns doch besser etwas anziehen da es trotz Sonne -17 Grad hat.

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